Montag, Mai 10, 2010

Nach NRW und vor Bingen

NRW hat gewählt. Und um es ganz klar zu formulieren. Die Piratenpartei hat eine bedeutende Niederlage erhalten. Man kann vorsichtig sagen, dass wir in NRW mit 1,5% das Ergebnis der Bundestagswahl gehalten haben.

 

Die Wahrheit sieht anders aus. Bei der Bundestagswahl hatten wir noch 158.585 Menschen von unseren Zielen und Ideen überzeugen können.

 

Am 9.5.2010 dagegen waren es nur noch 119.581 Menschen, die uns gewählt haben. Wir haben also 39.004 Menschen nicht mehr überzeugen können, uns erneut zu wählen. Sicherlich waren nun auch viele Menschen dabei, die uns zum ersten Mal gewählt haben, die absolute Zahl der Wiederwähler ist also stark gesunken.

 

Wir haben nicht nur ein Ziel von 3% nicht erreicht, sondern sogar Menschen die an uns glauben verloren.

 

In den nächsten Tagen wird es eine Ursachensuche geben, und ich werde jetzt einfach mal vorgreifen und den Sündenbock benennen, auf den es hinauslaufen wird:

 

Die Programmerweiterung der NRW-Piraten im Kontrast zu unserem Grundsatzprogramm wird Schuld sein. Die umfangreichen Erweiterungen werden nun als undurchdacht gelten, die Kernthemen seien verwässert worden. Diese und ähnliche Argumente werden kommen. Und vielleicht stimmt es ja auch, vielleicht hat das ganze aber gar nichts mit dem eigentlichen Problem zu tun.

 

In NRW sind die Piraten mit ihrem Wahlprogramm im wesentlichen so aufgetreten wie die anderen Parteien auch. Ein volles Programm, viele der Positionen fanden sich in ähnlicher Form bei SPD/LINKE/Grüne wieder.

 

Wir müssen aber weg von diesem „Wir sind eine Partei, genau wie die anderen Etablierten". Wir müssen uns als deutliche Alternative zu einem Politikstil von „Wähl mich, damit ich X Jahre tun und lassen kann, was ich will" positionieren.

 

Die Menschen wollen nicht noch ne Partei, die genauso ist, wie alle anderen, mit ein wenig anderem Programm.

 

Wir müssen nun dahin gehen, die wesentlichen Unterschiede zu anderen Parteien deutlich klar zu stellen.

 

Und der wesentliche Unterschied ist nicht, unsere Haltung zu Bürgerrechten oder zu dem Uhrheberrecht.

 

Nein, der wesentliche Unterschied ist, dass bei uns jeder mitmachen kann, jeder bei uns seine Ideen einbringen kann, und dass diese Ideen bei uns gehört werden.

 

Lasst uns vorantreiben, dass man bei uns Ideen einbringen kann, dass man bei uns nicht nur Stimmvolk ist. Lasst uns interaktiv sein.

 

Lasst uns nicht noch ne andere Partei sein. Stattdessen sollten wir „die Mitmachpartei" sein. Wir brauchen nun die Möglichkeit in der Partei jederzeit Meinungsbilder zu machen, jederzeit Meinungen einzuholen, jederzeit interaktiv Ideen einzubringen. Und wenn wir diese Möglichkeiten geschaffen haben, dann müssen wir dafür sorgen, dass diese nicht nur Parteiintern genutzt werden – sondern auch im öffentlichen Leben.

 

Wir sollten definitiv dafür sorgen, dass wir nun Liquid Democracy in der Partei voranbringen, und eine interaktive Mitmachpartei werden. Wir müssen die sein, die nun „mehr Demokratie wagen".

 

Ansonsten glaube ich, dass dies der Anfang vom Ende sein wird.

 

 

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein in Kürze aus dem Boden gestampfte bzw. bei Grünen und Linken zusammengestoppeltes "Vollprogramm" ist halt nicht die Lösung. Aber wie böse waren denn die Kritiker, die schon vorher warnten?
Jetzt kann es nur heißen, ausgehend von den Kernthemen mit Ruhe und Bedacht das Programm schrittweise zu erweitern und Nichtwähler als Wähler zu gewinnen. Dazu muß dann aber mal Mumble und Doodle beiseite gelegt und zurück auf die Strasse gegangen werden.

Unknown hat gesagt…

Ich glaube nicht, dass das volle Programm das Problem ist. Das Feedback, das ich im Wahrkampf erhalten habe, spricht eher dafür, dass die Programmerweiterung da wenig entscheidend war.

Als entscheidend sehe ich eher folgendes an:
1. Der innere Zustand des Landesverbands. Der ist erbärmlich und da muss man ansetzen
2. Das Medienecho. Im Bundestagswahlkampf ist viel über uns geschrieben worden. Jetzt wurden wir totgeschwiegen.

Unknown hat gesagt…

Ich habe nach Kräften geholfen, muss allerdings gestehen, daß das Material schon mich als Sympathisanten nicht überzeugen konnte. Die Plakate waren viel zu klein gedruckt, allein "klar machen zum Ändern" war noch halbwegs autofahrertauglich. Die Sprüche oft viel zu schwierig zu verstehen. Mehrmals habe ich auf "dürfen Politiker über das Fernsehen bestimmen?" völliges Unverständnis geerntet ("wieso, das ist doch normal, oder?") und mußte zu einer langatmigen Erklärung ansetzen, die in mindestens 2 Fällen IMHO ebenfalls nicht wirklich verstanden wurde. Hier muss ein Umdenkprozess stattfinden, Slogans und Erklärungen noch viel weiter vereinfacht werden als bisher.

Die Sprüche der Linken ("Raus aus Afghanistan", "Sozial- auch nach der Wahl") hatten zwar mit dem Landtag teilweise nichts zu tun, überzeugten aber durch starke, emotionale Zugkraft.

Auch die Flyer waren in Teilen viel zu intellektuell und/oder techniklastig formuliert, wie mir die Oma im Haus nach der Lektüre eindrücklich demonstrierte.

Nicht zuletzt leidet die Partei unter ihrem eigenen Namen, besonders nach der vielen Presse über die Piraten vor dem Horn von Afrika. Das mag lächerlich klingen, aber ich wurde darauf angesprochen.
Hier strebt eine Gruppe nach Gesetzgebungskompetenz, die gleichzeitig die Gesetzlosigkeit quasi im Namen führt. Das ist besonders älteren Mitbürgern kaum vermittelbar.

Peter Schildwächter hat gesagt…

Ich denke auch, der Stimmenverlust ist hauptsächlich auf eine viel geringere Präsenz in den Medien zurückzuführen.

Felis Saeva hat gesagt…

Hallo,

ich möchte nur mal ganz hastig meinen Vorredner wiedersprechen. Ich finde es gut, dass die Wahlsprüche der Piraten nicht ganz so dummdreist waren, wie jene der übrigen Parteien. Vielleicht wars tatsächlich zuviel für den inzwischen in seiner Blödheit versumpften Pöbel.

Strukturiert Eure Themen noch etwas klarer. "Schaut dem Volk aufs Maul" um zu erfahren, was es wirklich will und abzuschätzen, was wirklich gut und richtig ist. Macht keine Versprechen, von denen ihr noch nicht wisst, ob ihr sie absolut halten könnt. Bleibt authentisch und ansprechbar. Damit hebt ihr euch ab.
Ansonsten muss man dem wahlscheuen Bürger einfach etwas Zeit lassen. Bedenkt man, dass nicht allzuviele Menschen überhaupt gewählt haben, liegt klar auf der Hand, das viele Menschen Politik und ihren Vertretern nicht um eine Haaresbreite mehr vertrauen.
Vor der Bundestagswahl ward ihr einfach ein cooler Gag. Jetzt wird es ernst und die Menschen haben schlicht Angst.

Gruß, Felis

Unknown hat gesagt…

Die meisten Menschen kannten uns noch nichtmal, dann dem Programm die Schuld zuzuschieben ist sehr billige Polemik.

2009 hatten wir den Hype, 2010 nicht mehr. NRW war sehr mutig mit dem Programm und wurde teilweise auch dafür belohnt. Die meisten Protestwähler werden ihr Kreuz bei proNRW gemacht haben, so schade das auch ist.

Wir werden programmatisch auch deswegen nicht ernst genommen, weil die ganze Programmerweiterung von anfang an unter Beschuss der Bundespartei und anderen LV stand. Leute, glaubt ihr ernsthaft ne Wahl mit den Themen der BTW09 zu gewinnen? Die Leute haben echt wichtigere Sorgen als ihre Daten, so unglaublich sich das anhören mag.

Die Programmerweiterung der Piraten in NRW war der richtig Weg, leider wurde innerparteilich sabotiert und viele Dinge liefen organisatorisch noch nicht rund. Die Partei gibts 4 Jahre nun, Politik ist langwierig und kommt meist von unten, aus der Kommunalpolitik. Wieso sollte der normale Bürger die Piraten wähle wenn er im besten Fall mal den Namen gehört hat? Die Leute sind von Politik angenervt und wählen entweder das, was sie schon immer gewählt haben, oder diejenigen mit den populistischsten Sprüchen. Wirklich mit den Programmen auseinandersetzen tun nur sehr sehr wenige.

Bitte das zu beachten wenn nun Leute nach Schuldigen suchen die nichtmal am Wahlkampf beteiligt waren... "hab ich vorher gesagt" ist totaler Unfug und nicht diskussionswürdig. Natürlich kann was nach hinten los gehen, sollte man es deshalb gar nicht versuchen?

Benno hat gesagt…

Ich denke du siehst das viel zu drastisch. Viele werden taktisch gewählt haben vor der Frage: Rüttgers oder nicht Rüttgers.

Denn das die Piraten nicht reinkommen, war vorher schon ziemlich klar. Deshalb werden viele ihr Kreuz bei den Grünen oder der SPD gemacht haben, einfach um Rüttgers zu verhindern - nicht weil sie die Piraten / das Piraten-Programm schlechter fanden.

Denn immerhin ist jede Stimme für die Piraten eine gewesen, die Rot-Grün nun fehlt.

Siehe auch: http://direkteaktion.over-blog.de/article-die-risiko-wahl-in-nrw-50058719.html

Simon Werner (R4mbo) hat gesagt…

Kann dir nur zustimmen. Damals bei unserem Mega Aufschwung waren wir die Internet und Nerdpartei und hatten nur wenige Themen. Trotzdem, und ich meine gerade deshalb haben wir 12.000 Mitglieder erreicht und 2% bei der Bundestagswahl. Weil wir anders waren als die Anderen und nun versuchen wir krampfhaft (Programmerweiterung: Wirtschaft blabla, Umwelt blabla) genauso zu werden. Wir werden von alten Leuten aus anderen Parteien unterwandert und verlieren somit auch unser cooles, frisches Image. Wir hatten zur Bundestagswahl mit Sicherheit einen Sympathiebonus der jetzt flöten gegangen ist.